Durch das Jahressteuergesetz 2022 hat der Gesetzgeber bestimmte kleinere Photovoltaikanlagen ertragssteuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 72 EStG). Das BMF hat hierzu am 17. Juli 2023 ein Anwendungsschreiben herausgegeben, das jedoch nicht sämtliche Fragen beantwortet.

Folgende Punkte sind hervorzuheben:

  • Die Steuerfreiheit gilt grundsätzlich für Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden. Sofern nach diesem Zeitpunkt noch Ausgaben im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage getätigt werden, die wirtschaftlich aber die Jahre bis 2021 betreffen, ist die Möglichkeit einer Geltendmachung dieser Ausgaben noch unklar. Die Finanzverwaltung verneint dieses offensichtlich. Ein erstes Verfahren in dieser Frage ist beim FG Nürnberg unter Az.: 4K1440/23 anhängig. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte diese Frage beurteilen.
  • Umfang der Steuerbefreiung

Das BMF stellt in Rz. 9 seines Schreibens klar, welche Einnahmen insbesondere steuerbefreit sein können. Dieses sind:

    1. die Einspeisevergütung,
    2. Entgelte für anderweitige Stromlieferungen, z.B. an Mieter,
    3. Vergütungen für das Aufladen von Elektro- und Hybrid-Elektrofahrzeugen,
    4. Zuschüsse und
    5. bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung vereinnahmte und erstattete Umsatzsteuer
  • Persönliche Anwendung

In Rz. 8 des o.g. BMF-Schreibens wird klargestellt, dass es für die Steuerfreiheit unerheblich ist, ob der Betreiber der Photovoltaikanlage auch (Mit-)Eigentümer des jeweiligen
Gebäudes, auf dem sich die Photovoltaikanlage befindet, ist. Somit kann auch für Anlagen auf fremden Gebäuden bei Vorliegen aller Voraussetzungen die Steuerfreiheit in Anspruch
genommen werden.

  • Sachliche Anwendung

Zunächst ist zu prüfen, ob die in § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG genannten Bruttoleistungen je Anlage nicht überschritten werden. Diese betragen für Einfamilienhäuser 30 Kilowatt (peak)
(kWp) je Steuerpflichtigen / Mitunternehmerschaft, für Zweifamilien- und Mehrfamilienhäuser 15 kWp je Wohneinheit und für gemischt genutzte Immobilien 15 kWp je
Wohn-/Gewerbeeinheit.

Beispiel:

Die Eheleute A und B betreiben auf dem selbstgenutzten Einfamilienhaus jeweils eine eigene Photovoltaikanlage mit 25 kWp. Beide Photovoltaikanlagen sind steuerbefreit.

Würden die Eheleute A und B gemeinsam eine Photovoltaikanlage mit 50 KWp betreiben, wäre diese Anlage nicht steuerbefreit, weil sie eine Leistung von mehr als 30 kWp hat und
die Gemeinschaft aus A und B als einziger Eigentümer gilt.

Auch die weitere Prüfung, ob der jeweilige Steuerpflichtige / die Mitunternehmerschaft insgesamt Anlagen mit mehr als 100 kWp betreibt, ist für jeden Steuerpflichtigen / jede
Mitunternehmerschaft einzeln zu prüfen (o.g. BMF-Schreiben, Rz. 13).

Auch bei einer Zusammenveranlagung von Eheleuten erfolgt keine Zusammenrechnung.

Beispiel:

Eheleute A und B haben auf ihrem selbstgenutzten Einfamilienhaus jeweils eine Photovoltaikanlage mit 25 kWp. A ist ferner Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit 6
Wohneinheiten und einer Photovoltaikanlage mit 60 kWp, B Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit 8 Wohneinheiten und 80 kWp.

Jede einzelne Photovoltaikanlage für sich wäre steuerbefreit. Bei B scheidet die Steuerfreiheit jedoch für alle Photovoltaikanlagen aus, weil die Summe seiner Photovoltaikanlagen
eine Leistung von 105 kWp hat.

Ferner stellt das BMF in Rz. 15 seines Schreibens klar, dass es für die Addition der Leistungen unerheblich ist, ob die unterschiedlichen Anlagen sich auf einem oder verschiedenen
Grundstücken befinden und ob sie technisch voneinander getrennt sind.

Ferner werden bei der Ermittlung der 100 kWp-Grenze Anlagen, die schon für sich betrachtet nicht steuerbefreit sind, nicht berücksichtigt.

  • Wechsel in die oder aus der Steuerpflicht

Aufgrund von hinzutretenden oder wegfallenden Photovoltaikanlagen können Steuerpflichtige / Mitunternehmerschaften unterjährig in die Steuerpflicht hineinwachsen oder aus
dieser herausfallen. Das BMF stellt in Rz. 18 seines Schreibens klar, dass alsdann die Steuerbefreiung nur bis zu oder ab diesem Zeitpunkt zu gewähren ist.

  • 7g EStG vs. § 3 Nr. 72 EStG

Nach Auffassung des BMF sind vor dem 1. Januar 2022 gebildete Investitionsabzugsbeträge für eine Photovoltaikanlage rückwirkend gewinnerhöhend aufzulösen (Rz. 19) und können
nicht auf die danach steuerbefreite Anlage übertragen werden. Ein erster, die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigender Beschluss des FG Köln ist am 14. März 2024 ergangen
(Az. 7 V 10/24). Allerdings ist hiergegen Beschwerde beim BFH eingelegt worden (Az. III B 24/24).

  • Besonderheit: gewerbliche Infizierung

Sofern eine vor dem 1. Januar 2022 betriebene Photovoltaikanlage eine ansonsten vermögensverwaltende und damit grundsätzlich gewerbesteuerfreie Gesellschaft „infiziert“ hat, fällt
diese Infizierung bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit ab 2022 weg. Die Finanzverwaltung will alsdann eine Zwangsentnahme sämtlicher Wirtschaftsgüter mit
Ausnahme der Photovoltaikanlage selber annehmen. Insbesondere dann, wenn in diesen Wirtschaftsgütern, z.B. in den Grundstücken, wesentliche stille Reserven enthalten sind, kann
dieses zu einer erheblichen Steuerbelastung führen.

  • Besonderheit: § 35c EStG und Verhältnis zu § 3 Nr. 72 EStG

Das BMF äußert sich nicht zur Frage der Anwendbarkeit von § 35c EStG (Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden) bei
Photovoltaikanlagen. Insbesondere eine möglicherweise fehlende, formell aber für die Steuerermäßigung nötige Fachunternehmerbescheinigung dürfte die Begünstigung des § 35c
EStG verhindern. Insbesondere vor dem Hintergrund der von der Politik propagierten Energiewende im Sinne künftiger Generationen wäre eine positive Klarstellung des BMF
wünschenswert.

In dem o.g. BMF-Schreiben werden noch diverse andere Konstellationen und Fragen beleuchtet, ohne dass aber bereits alle Zweifelsfragen geklärt werden.