Unternehmen einer gewissen Größe müssen ihre Jahresabschlüsse prüfen lassen. Die Unternehmensleitung und deren Gesellschafter verbinden damit häufig die Vorstellung, dass auch wirtschaftliche und steuerliche Risikopotentiale überprüft werden. Das ist aber nur bedingt der Fall. Und deshalb ist der Satz häufig nicht korrekt: Wir haben keinen Beratungsbedarf, weil unser Jahresabschluss geprüft wurde.

Anhand des Themas betriebliche Altersversorgung (bAV) kann man schön darstellen, weshalb die Aussage nur bedingt richtig sein kann. Um das Problem verständlich zu machen, muss man die Rolle und Verantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers bei einer Jahresabschlussprüfung kennen.

Das Ziel einer Abschlussprüfung ist es, mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen, ob bei der Erstellung des zu prüfenden Jahresabschlusses sämtliche relevanten Rechnungslegungsnormen einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung beachtet wurden. Es ist hingegen ausdrücklich nicht Aufgabe des Prüfers, ein Urteil über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens abzugeben. Somit kann auch der Jahresabschluss eines wirtschaftlich schlecht dastehenden Unternehmens durch den Wirtschaftsprüfer mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen werden, sofern dessen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss zutreffend abgebildet ist.

Im Ergebnis heißt dies Folgendes:

  • Der Wirtschaftsprüfer prüft in Bezug auf die bAV beispielsweise die richtige Höhe der Pensionsrückstellung, wenn Mitarbeiter Pensionszusagen erhalten haben. Und natürlich prüft er auch die richtige Bilanzierung der Forderung aus einer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung. Sofern sich wirtschaftliche Risiken aus einer bestehenden Deckungslücke ergeben, werden diese natürlich vom Wirtschaftsprüfer erfasst, dokumentiert und dargestellt.
  • Der Wirtschaftsprüfer hat aber nicht zu beurteilen, ob die Strukturierung von Versorgungswerken wirtschaftlich sinnvoll ist. Er prüft im Einzelnen auch nicht, ob alle steuerlichen und und arbeitsrechtlichen Dokumentations- und Nachweispflichten erfüllt werden. Latent vorhandene Risiken, beispielsweise aus einem nicht geschlossenen Versorgungswerk, werden erst erfasst, wenn sie sich konkretisiert haben.
  • Die Prüfung, ob ein Versorgungswerk wirtschaftlich, steuerlich und arbeitsrechtlich vernünftigt strukturiert ist und ob alle Nachweis- und Dokumentationspflichten eingehalten werden, ist nicht originäre Aufgabe des Wirtschaftsprüfers.

Natürlich wird ein Wirtschaftsprüfer Mandanten auf wirtschaftliche Risiken oder formale Fehler hinweisen, die ihm im Rahmen der Jahresabschlussprüfung auffallen. Seine eigentliche Aufgabe ist dies aber nicht.

Bilanzleser wie beispielsweise Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmervertreter haben häufig die Vorstellung, dass der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk eine Garantie für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen ist. Dass dies nicht so ist, haben wir vorstehend dargestellt. Dieses Phänomen wird übrigens Erwartungslücke genannt. Die interessierte Öffentlichkeit erwartet von einem Testat eines Wirtschaftsprüfers etwas anderes, als es tatsächlich aussagt.

Und insoweit ist auch die Einschätzung eines Geschäftsführers falsch, sein Versorgungswerk oder das System der betrieblichen Altersvorsorge im eigenen Unternehmen sei auf Wirtschaftlichkeit oder Einhaltung formeller Anforderung hin überprüft worden. Dies kann eigentlich nur ein Expertenteam, bestehend aus spezialisierten Finanzberatern, Arbeitsrechtlern und Steuerberatern.