Viele Fragen im Bereich der Erbschaftsteuer sind ungeklärt, wenn es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht. Das ist verwunderlich, wenn man bedenkt, wie lange es eine Erbschaftsteuer in Deutschland gibt. 1873 erließ Preußen das erste umfassende Erbschaftsteuergesetz. Auf seiner Grundlage wurde 1906 das Reichserbschaftsteuergesetz mit Gültigkeit für ganz Deutschland eingeführt. Dennoch ist die Rechtslage gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in vielen Bereichen unklar.
Grundsätzlich geht man davon aus, dass jeder Erbanfall bei Vorhandsein deutschen Vermögens grundsätzlich zur Erbschaftsteuer führen müsste. Das dies nicht zwingend so sein muss, zeigt ein Urteil des Finanzgerichtes Saarland vom 10.06.2010 (1 K 1209/07). Dabei ging es um Folgendes:
Seit 1977 lebte ein deutsches Ehepaar in Frankreich. Sie besassen in Deutschland Grundvermögen, Betriebsvermögen und Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften. Im Jahr 2002 verstarb die Ehefrau. Die Eheleute hatten einen Ehevertrag nach franzöischem Recht geschlossen. In diesem hatten sie Gütergemeinschaft vereinbart. Nach französischem Zivilrecht geht in diesem Fall das Vermögen im Wege der Anwachsung auf den überlebenden Ehegatten über. Das bedeutet, dass nach französischem Recht der Vermögensübergang nicht aufgrund Erbrecht, sondern aufgrund französischen Ehegüterrechtes erfolgt. Strittig war, ob ein ehegüterlicher Übergang in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig ist.
Die Frage ist deshalb strittig, weil das deutsche Erbschaftsteuergesetz Vermögensübergänge im Rahmen einer zivilrechtlichen Anwachsung (z.B. in Anwendung eines Ehegüterrechtes) nicht als steuerpflichtigen Vorgang nennt. Das Finanzgericht nahm dennoch einen erbschaftsteuerpflichtigen Vorgang an. Diese Rechtsauffassung ist aber nicht zweifelsfrei. Es wurde Revision eingelegt. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH entscheiden wird. Sofern der BFH anderer Auffassung sein sollte, ergeben sich insbesondere für Eheleute, die im Ausland wohnen oder Ehegatten unterschiedlicher Nationalität Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Frage ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil Deutschland mit wenigen Staaten Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat: USA, Frankreich, Dänemark, Schweden, Schweiz und das vollkommen antiquierte Abkommen mit Griechenland. Im Verhältnis zu anderen Staaten droht immer eine Doppelbesteuerung, wie auch die Entscheidung Block des EuGH zeigt.
Der BFH hat die Sache entschieden (Urteil v. 04.07.2012 – II R 38/10); Leitsatz:
Ein auf ausländischem Recht (hier: Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht) beruhender Erwerb von Todes wegen kann der inländischen Erbschaftsteuer unterliegen.