Am 30. Oktober 2020 hatte ich bereits allgemein zur Bewertung von Grundstücken und zum Vergleichswertverfahren (§ 182 Abs. 2 BewG) mit Hilfe des Hamburger Immobilienmarktberichtes Stellung genommen. Heute soll es nun um das Ertragswertverfahren (§ 182 Abs. 3 BewG) gehen.

Ertragswertverfahren

Das Ertragswertverfahren richtet sich nach den § 182 Abs. 3 und §§ 184 bis 188 BewG. Es ist anzuwenden auf Mietwohngrundstücke sowie auf Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt.

Der Wert des Gebäudes ist getrennt vom Wert des Grund- und Bodens zu ermitteln.

Der Gebäudeertragswert ergibt sich nach dem folgenden Schema:

Rohertrag (Jahresmiete/übliche Miete, ohne Betriebskosten) (§ 185 Abs. 1 BewG, § 186 BewG)

./. Bewirtschaftungskosten (§ 185 Abs. 1 BewG, § 187 BewG)

= Reinertrag (§ 185 Abs. 1 BewG)
./. Bodenwertverzinsung (Liegenschaftszinssatz) (§ 179 BewG, § 185 Abs. 2 BewG, § 188 BewG)

= Gebäudereinertrag § 185 Abs. 2 BewG)

x Vervielfältiger gem. Anlage 22 des BewG (§ 185 Abs. 3 BewG)

= Gebäudeertragswert (§ 185 Abs. 3 BewG)

Der Bodenwert ergibt sich aus dem Bodenrichtwert x Grundfläche (§ 179, § 184 Abs. 2 BewG)

Zusammen ergibt sich der Grundbesitzwert nach dem Ertragswertverfahren.

Das Berechnungsschema scheint einfach zu sein. Es kann aber bereits bei der Jahresmiete bzw. der Ermittlung der üblichen Miete zu den ersten Problemen kommen. Weicht die vereinbarte Miete um +/- 20 % von der üblichen Miete ab, ist die übliche Miete anzusetzen. In der Regel ist die übliche Miete aus den von den Gemeinden veröffentlichten Mietspiegeln für den Wohnungsmarkt zu entnehmen. Es können aber auch Vergleichsmieten, Mietdatenbanken, z.B. bei dem Mieterverein oder Mietgutachten zur Hilfe genommen werden. Für Gebäude, die nicht nur zum Wohnen vermietet werden, sind kaum Mietspiegel vorhanden.

Hat der zuständige Gutachterausschuss Bewirtschaftungskosten und/oder Liegenschaftszinssätze ermittelt, sind diese statt der gesetzlichen Werte anzuwenden. Die Gutachterausschüsse veröffentlichen jährlich Immobilienmarktberichte. Nicht immer sind darin die Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze direkt ablesbar. Schon kleine Schwankungen können zu großen Abweichungen beim Gebäudeertragswert führen. Die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze liegen zum Teil erheblich unter den gesetzlichen Werten von 5% bis 6,5% je nach Gebäudeart.

Ein niedrigerer Zinssatz ist doch gut, mag man meinen. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Dieses wird an folgendem Beispiel verdeutlicht:

Herr V überlegt, seiner Tochter (T) im Rahmen der vorweg genommenen Erbfolge sein vermietetes Mehrfamilienhaus in Hamburg Wandsbek zu schenken und bittet daher darum, den Wert des Grundstückes zu ermitteln.

Das Grundstück ist 800 m2 groß, für die 5 Wohnungen werden Nettokaltmieten in Höhe von insgesamt € 4.200,00 monatlich erzielt. Die übliche Miete ist nicht anzusetzen. Das Gebäude wurde 1960 erbaut. Der Bodenrichtwert beträgt 721,12 €/m2. In den letzten 10 Jahren wurden keine Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Der Vater behält sich das lebenslange Nießbrauchrecht vor. Er wurde am 13. August 1950 geboren. Zum Aufzeigen der Auswirkungen des Liegenschaftzinssatzes erfolgt die Berechnung mit einem Liegenschaftszinssatz in Höhe von a) 2,23 %, b) 3,50 % und mit dem gesetzlichen Zinssatz für Mietwohngrundstücke in Höhe von c) 5,00 %

 

a

b

c

Rohertrag

50.400,00

50.400,00

50.400,00

Bewirtschaftungskosten 27%

-13.608,00

-13.608,00

-13.608,00

36.792,00

36.792,00

36.792,00

Liegenschaftszinssatz

2,23%

3,50%

5,00%

Fläche (m2) 800
Bodenwert (€/m2) 721,12
Bodenwertverzinsung

-12.864,00

-20.191,00

-28.844,00

Gebäudereinertrag

23.928,00

16.601,00

7.948,00

Vervielfältiger

15,42

14,72

12,82

Gebäudeertragswert

368.969,00

244.366,00

101.893,00

Bodenwert

576.896,00

576.896,00

576.896,00

Grundbesitzwert

945.865,00

821.262,00

678.789,00

Nach Abzug des Freibetrages für vermietete Wohnungen, des Nießbrauchvorbehaltes und des Freibetrages für die Tochter ergeben sich folgende Schenkungsteuerbelastungen:

Schenkungsteuer

13.070,86

467,83

0,00

Zum Schluss

Die Beispielberechnung zeigt, je höher der Liegenschaftszinssatz ist, desto niedriger ist der Gebäudewert. Abweichungen von 1 % im Liegenschaftszins können steuerliche Belastungen von mehreren tausend Euro nach sich ziehen.

Wir empfehlen, bei Übertragungen von Grundvermögen die steuerlichen Auswirkungen von einem Steuerberater ermitteln zu lassen, um später keine „bösen“ Überraschungen erleben zu müssen.