Grundsätzlich sind sowohl innergemeinschaftliche Lieferungen als auch Ausfuhren in Drittländer von der Umsatzsteuer befreit. Allerdings geht die Steuerbefreiung mit immer weitergehenden formalen Anforderungen einher. Zum 1. Januar 2012 hat der deutsche Gesetzgeber die formalen Anforderungen an die Belegnachweise nochmals verschärft.
In der Folge werden die beiden wesentlichen Änderungen dargestellt:
1. Gelangensbestätigung
Ab dem 1. Januar 2012 wird jedes Unternehmen, dass Waren in das EU-Ausland an andere Unternehmer liefert, die innergemeinschaftliche Lieferung wie folgt nachweisen müssen:
- Doppel der Rechnung
- Gelangenheitsbestätigung
Die Gelangensbestätigung ist ein Beleg, durch den der Abnehmer oder der mit der Beförderung beauftragte Dritte (Spediteur, Frachtführer) bestätigt, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Die Bestätigung muss folgende Angaben enthalten:
- Name und Anschrift des Abnehmers
- Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände
- bei Beförderung oder Versendung des Gegenstandes:
- Lieferant befördert den Gegenstand selbst (beispielsweise mit eigenem LKW) oder versendet diesen (beispielsweise durch Spediteur oder Paketdienst): Ort und Tag des Erhalts des Gegenstandes im übrigen Gemeinschaftsgebiet
- Abnehmer versendet diesen (beispielsweise durch Spediteur): Ort und Tag des Erhalts des Gegenstandes im übrigen Gemeinschaftsgebiet
- Abnehmer befördert diesen (beispielsweise mit eigenem LKW): Ort und Tag des Endes der Beförderung im übrigen Gemeinschaftsgebiet
- Ausstellungsdatum der Bestätigung
- Unterschrift des Abnehmers
Gerade der letzte Punkt wird liefernden Unternehmern erhebliche Probleme bereiten. Die Unterschrift eines Arbeiters an der Rampe wird nicht ausreichen. Dieser wird mindestens eine Vollmacht seines Arbeitgebers vorlegen müssen. Ungeklärt ist, ob eine Bestätigung in der jeweiligen Landessprache ausreicht oder diese in Deutsch vorgelegt werden muss. Es bietet sich von Vorherein an, ein Musterformular zumindest in den gängigen Sprachen zu verwenden. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich, galt dies für CMR-Frachtbriefe sowieso schon.
Unternehmer, die Waren nicht selbst ins EU-Ausland befördern, werden die Verantwortung auf ihre Spediteure übertragen. Sie müssen von ihren Spediteuren eine schriftliche Versicherung erhalten, dass diese über eine Gelangensbestätigung verfügen und auf Anfordern der Finanzverwaltung zeitnahe vorlegen können. Ungeklärt sind die Rechtsfolgen, wenn Spediteure unzutreffende Erklärungen abgeben. Entweder muss sich dies der Auftraggeber zurechnen lassen; mit der Folge, dass er ggf. Schadensersatzansprüche gegen den Spediteur geltend machen kann. Oder der Spediteur wird von den Finanzbehörden direkt in Anspruch genommen. Hierfür gibt es bisher aber keine gesetzliche Handhabe. Man kann Spediteuren nur dringend empfehlen, keine Gefälligkeitsbestätigungen an Kunden zu senden, wenn ihnen die vom Empfänger unterschriebene Gelangensbestätigung (noch) nicht vorliegt. Dies würde sicherlich eine Ordnungswidrigkeit darstellen, vielleicht sogar Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Für deutsche Spediteure wird es zumindest in der Anfangszeit besonders schwierig, wenn sie ausländische Fracht- oder Unterfrachtführer beschäftigen. Dann müssen diese eine unterschriebene Gelangensbestätigung beschaffen und ggf. an den Spediteur weiterleiten. Soweit ersichtlich, gibt es im EU-Ausland eine entsprechende Bestätigung bisher nicht. Das wird die Geschägtsbeziehungen zu ausländischen Abnehmern und Spediteuren oder Frachtführern zumindest in der Anfangsphase auf eine harte Probe stellen. Der Deutsche Speditions und Logistikverband (DSLV) hat bereits angekündigt, beim Bundesfinanzministerium auf eine Verwaltungsvorschrift zu drängen, die eine praktikable Handhabung ermöglicht.
2. Ausgangsvermerk
Bei der Ausfuhr ins Drittland wurde Mitte 2009 die Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren AES (Art. 787 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex) zwingend vorgeschrieben. Ab dem 1. Januar 2012 müssen exportierende Unternehmen, sowohl in Beförderungs- als auch in Versendungsfällen, die durch die zuständige Ausfuhrzollstelle auf elektronischem Weg übermittelte Bestätigung, dass der Gegenstand ausgeführt wurde (Ausgangsvermerk), vorlegen können. Damit entfällt die bisher bestehende Möglichkeit, die Ausfuhr auch mit anderen Belegen wie Frachtbriefen, Konnossementen, Postlieferscheinen, Spediteursbescheinigungen etc. belegen zu können. Diese Nachweise sind nur noch dann zulässig, wenn ausnahmsweise die Ausfuhranmeldung nicht elektronisch erfolgt.
Für Spediteure und Exporteure dürften diese Neuerungen aber weniger dramatisch sein, weil sie bereits seit 2009 am elektronischen Ausfuhrverfahren teilnehmen. In Zukunft sollten Spediteure darauf achten, Auftraggebern immer den Ausgangsvermerk zukommen zu lassen.
3. Geänderte Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)
Im einzelnen haben sich folgende Verordnungen geändert
- § 9 UStDV: Ausfuhrnachweis bei Ausfuhrlieferungen in Beförderungsfällen
- § 10 UStDV: Ausfuhrnachweis bei Ausfuhrlieferungen in Versendungsfällen
- § 11 UStDV: Ausfuhrnachweis bei Ausfuhrlieferungen in Bearbeitungs- und Verarbeitungsfällen
- § 13 UStDV: Buchmäßiger Nachweis bei Ausfuhrlieferungen und Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr
- § 17 UStDV: Abnehmernachweis bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr
- § 17a UStDV: Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen
- § 17b UStDV: Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen
- § 17c UStDV: Buchmäßiger Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Vorstehende geänderte Verordnungen können bei uns angefordert werden. Die Lektüre sei allen Betroffenen dringend empfohlen.
4. Übergangsregelung
Das Bundesfinanzministerium hat in seinem Schreiben vom 9. Dezember 2011 allerdings mitgeteilt, dass es nicht beanstandet wird, wenn Unternehmen bis zum 31. März 2012 den buch- und belegmäßigen Nachweis aufgrund der bisher geltenden Rechtslage erbringen. Ab dem 1. April 2012 müssen die Unternehmen aber zwingend die neuen Vorschriften anwenden.
Unternehmen sollten sich der Tragweite der Änderung bewußt sein. Interne Organisationsabläufe von Exporteuren, Speditionen und Frachtführern müssen umgestellt werden. Und es müssen die notwendigen Absprachen mit in- und ausländischen Geschäftspartnern getroffen werden.
Ergänzend sei auf das BFH-Urteil vom 12.05.2011 (V R 46/10) hingewiesen:
Danach ist die Steuerfreiheit nicht zu gewähren, wenn ein Unternehmer nicht alle Nachweispflichten erfüllt. Dies sah der BFH als gegeben an, weil der Unternehmer in der Rechnung nicht auf die innergemeinschaftliche Lieferung hingewiesen hat und keine Verbringenserklärung vorlegen konnte.
Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen wird also die Steuerfreiheit entfallen, wenn
– in der Rechnung nicht auf die innergemeinschaftliche Lieferung hingewiesen und/oder
– eine Gelangensbestätigung vorgelegt wird.
Noch ungeklärt ist, ob diese strenge Rechtsprechung auch bei Ausfuhren anzuwenden ist. Aus Sicherheitsgründen sollte auf der Rechnung auf die steuerfreie Ausfuhr hingewiesen werden. Und es sind natürlich alle buch- und belegmäßige Nachweise zu erbringen.
Fragen an Politiker, Staatsbeamte und Finanzrichter (oder doch eher an Radio Eriwan):
Wie lange wird sich der grenzüberschreitende Handel eigentlich noch lohnen?
Schießt sich Deutschland als reines Exportland durch solche Bestimmungen nicht ins Abseits?
Wieso müssen eigentlich die 99% Steuerehrlichen für die 1% Steuerbetrüger leiden?
Wer einmal auf einem Speditionshof in Italien stand, wer eine Anlieferungsrampe in Indonesien gesehen hat, wer Belege aus der Ukraine auf Unterschriften untersucht, fragt sich, auf welchem Planeten unsere Finanzbeamten leben. Um nicht missverstanden zu werden, dies ist kein Rassismus, denn die genannten Länder repräsentieren beispielhaft Normalfälle. Vielmehr fürchte ich, dass gerade bei den deutschen Schöpfern dieser Erlasse der Gedanke im Vordergrund steht, an der deutschen Gründlichkeit die Welt genesen lassen zu wollen. Und das ist so unrealistisch wie unangemessen. Mögen die Gerichte den Regelungswahn und dessen Auswüchse stoppen.
Von den Gerichten werden wir nicht viel Gutes erwarten dürfen. Die Paranoia. dass irgendwo Steuereinnahmen verloren gehen könnten, hat inzwischen alle Staatsgewalten erfasst.
Natürlich muss man die bösen Buben aus dem Verkehr ziehen. Dann würde ich es aber auch richtig machen und diese ab einer gewissen Hinterziehungshöhe auch immer in den Knast schicken.
Und bei den anderen, die nur etwas nachlässig waren, ist es wie auf dem Fussballfeld: Von den Schiedsrichtern wird Fingerstipzengefühl erwartet. Rote Karten zeigt man nur, wenn es gar nicht anders geht oder das Vergehen offenkundig ist.