Bei der steuerlichen Abziehbarkeit von Krankheitskosten und anderen außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG stellt die zumutbare Belastung eine Beschränkung dar, welche dazu führt, dass solche Aufwendungen in vielen Fällen nicht geltend gemacht werden können. Zu dieser Thematik hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein Urteil gefällt, aus welchem hervorgeht, dass die bisherige Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht gesetzeskonform sei und dadurch Steuerpflichtige benachteiligt worden sind.

Hintergrund: Gemäß § 33 EStG können Steuerpflichtige zwangsläufig entstandene Aufwendungen, denen sie sich aus rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehen können, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, soweit sie die zumutbare Belastung überstiegen. Die Höhe der zumutbaren Belastung bemisst sich nach einem Prozentsatz der Einkünfte, welcher vom Familienstand, der Anzahl der Kinder und der Höhe des Einkommens abhängig ist. Die Prozentsätze stellen sich wie folgt dar:

bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte bis 15 340 EUR über 15 340 EUR bis 51 130 EUR über 51 130 EUR
1. bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1 (Grundtarif), 5 6 7
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) 4 5 6
zu berechnen ist;
2. bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei Kindern, 2 3 4
b) drei oder mehr Kindern 1 1 2

 

Bisherige Berechnung der zumutbaren Belastung: Bislang sind sowohl die Finanzverwaltung als auch die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass bei Überschreiten einer der o.g. Einkommensgrenzen für das gesamte Einkommen der höchste Prozentsatz für die Berechnung der zumutbaren Belastung anzusetzen ist.

Beispiel: Ein lediger Steuerpflichtiger mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von € 60.000,00 hat im Veranlagungsjahr außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 4.000,00 getragen. Unter Anwendung der bisherigen Rechtslage beträgt die zumutbare Belastung € 4.200,00 (7% von € 60.000,00). Da die Krankheitskosten diesen Betrag unterschreiten, können diese Aufwendungen steuerlich nicht geltend gemacht werden.

BFH-Urteil vom 19.01.2017: In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass die Einkommensgrenzen lt. Tabelle zu § 33 EStG gestaffelt zu betrachten sind. Das bedeutet, dass für den Ansatz des nächsthöheren Prozentsatzes nur die Einkünfte zu berücksichtigen sind, welche die Grenzbeträge übersteigen. Die zumutbare Belastung im o.g. Beispiel berechnet sich nach neuer Rechtsprechung folgendermaßen:

Einkünfte von € 0,00 bis € 15.340,00 5% von € 15.340,00 €    767,00
Einkünfte von € 15.341,00 bis € 51.130,00 6% von € 35.790,00

(€ 51.130,00 abzgl. € 15.340,00)

 

€ 2.147,40

Einkünfte von € 51.131,00 bis € 60.000,00 7% von € 8.870,00

(€ 60.000,00 abzgl. € 51.130,00)

 

€    620,90

zumutbare Belastung   € 3.535,30

 

Nach Anwendung der neuen BFH-Rechtsprechung können außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 4.000,00 nach Abzug der zumutbaren Belastung in Höhe von € 3.535,30 mit einem Betrag von € 464,70 steuerlich geltend gemacht werden.

Praxishinweis: Das BFH-Urteil ist für alle noch offenen Steuerfälle anzuwenden. Sollte also ein Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig sein bzw. eine Änderung des Bescheides, insbesondere, weil dieser unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, noch möglich sein, sollte der Bescheid mittels Einspruch angefochten bzw. ein Antrag auf Änderung gestellt werden, da das Finanzamt die zumutbare Belastung noch nach alter Rechtslage berechnet.

Fazit: Das BFH-Urteil vom 19.01.2017 führt dazu, dass künftig die zumutbare Belastung i.d.R. mit einem geringeren Betrag angesetzt wird, so dass ggf. höhere außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Die Prozentsätze gemäß Tabelle zu § 33 EStG sind bei Überschreiten der Einkommensgrenzen gestaffelt zu betrachten und führen daher zu steuerlich günstigeren Ergebnissen bei der zumutbaren Belastung. Da die Finanzverwaltung die zumutbare Belastung in den Steuerbescheiden noch nach alter Rechtsprechung ermittelt, sollte in offenen Fällen geprüft werden, ob der Ansatz der „neuen“ zumutbaren Belastung mit einer Steuerentlastung verbunden ist.