Wir haben bereits mehrfach über die Möglichkeiten ausländischer Finanzverwaltungen berichtet, Steuern des entsprechenden Landes durch deutsche Behörden beitreiben zu lassen. Im Ergebnis vollstrecken dann deutsche Finanz- oder Zollämter entsprechende ausländische Steuern. Die Rechtsgrundlage ist das EG-Beitreibungsgesetz, dass auf einer entsprechenden EU-Richtlinie beruht.

Nunmehr hat das Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 26.10.2011, 3 K 205/10) in einem Urteil verschiedene Rechtssätze aufgestellt, die insbesondere deutsche Unternehmen und Geschäftsführer beachten sollten:

  • Grundsätzlich kann ein deutscher Steuerpflichtiger gegen eine entsprechende Verfügung in einem Vollstreckungsverfahren im Rahmen einer Feststellungsklage vorgehen, selbst wenn durch die Vollstreckung keine irreparablen Nachteile drohen.
  • Liegt kein Verstoß gegen das Ordre Public vor, muss das um Beitreibung ersuchte deutsche Finanzamt auch dann vollstrecken, wenn der ausländische Steuerbescheid im Ausland angefochten wurde.
  • Eine Pfändungsverfügung muss den Schuldgrund nur in einer Summe bezeichnen. Den Schuldgrund konkretisierende Angaben können auch in einer gerichtlichen Mitteilung der Pfändung gemacht werden. Sie müssen nicht schon in die Anlage zur Pfändungsverfügung aufgenommen werden.
  • EU-Beitreibungshilfe kann auch aufgrund eines durch E-Mail übermittelten ausländischen Vollstreckungstitels erfolgen. Eine amtliche Ausfertigung oder beglaubigte Kopie ist nicht erforderlich.

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Sollte der BFH die Rechtssprechung des FG Hamburg bestätigen, werden die formalen Hürden für eine Vollstreckung ausländischer Steuer- oder Zollschulden deutlich sinken. Und darüber hinaus werden deutsche Behörden kaum noch einen Spielraum haben, ob sie vollstrecken oder nicht. Sie müssen lediglich prüfen, ob der ausländische Pfändungsbeschluss fundamentalen deutschen Rechtsgrundsätzen widerspricht, also den Ordre Public verletzt. Die Fragen um den Ordre Public sind juristisch anspruchsvoll und ohne juristische Spezialabteilungen kaum zu lösen. Es ist eher zu erwarten, dass die deutschen Steuer- und Zollbehörden erst einmal vollstrecken und die Frage, ob der Ordre Public verletzt ist, den Gerichten überlässt.

Die Angelegenheit ist für den Betroffenen, einen ehemaligen Geschäftsführer einer spanischen Kapitalgesellschaft, wenig erbaulich. Erstens verrechnete das Finanzamt den ausländischen Steueranspruch mit deutschen Einkommensteuerguthaben des ehemaligen Geschäftsführers. Zweitens ist der Forderungsbetrag zwischenzeitlich weiter angestiegen, nämlich um Zinsen in Spanien und Säumniszuschläge in Deutschland. Und drittens muss der ehemalige Geschäftsführer Rechtsbeistände und Gerichtsgebühren in Deutschland und Spanien bezahlen.

Der Fall zeigt wieder eins. Man sollte Verfügungen ausländischer Steuerbehörden keinesfalls ignorieren und frühzeitig im Ausland nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Ist die Beitreibungsmaschinerie erst einmal angelaufen, wird es in der Regel sehr teuer.

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