In einem bereits veröffentlichten Beitrag haben wir die verwirrende Begriffsvielfalt des steuerlichen Begriffs Betriebsstätte dargestellt. Insbesondere Bau- und Anlagebauunternehmen sind mit mit einer besonderen Form der Betriebsstätte konfrontiert; der Bau- oder Montagebetriebsstätte.

Während eine normale Betriebsstätte regelmäßig eine feste Einrichtung wie Fertigungs- und Werkstätten, Büroräume etc. voraussetzt, setzten Montagebetriebsstätten eine solche Geschäftseinrichtung nicht voraus. Dies gilt insbesondere für Bau-, Montage- oder Montageüberwachungstätigkeiten. Entscheidend ist dabei die Länge der Tätigkeit. Das deutsche Steuerrecht (§ 12 AO) definiert eine Bau- oder Montagebetriebsstätte wie folgt:

Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn

  • die einzelne Bauausführung oder Montage oder
  • eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder
  • Montagen oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen

länger als sechs Monate dauern.

Bei Bau- oder Montagetätigkeiten in anderen Staaten, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, ist in den Abkommen häufig eine längere Dauer vorgesehen; in der Regel 12 Monate.

Häufig entstehen Betriebsstätten ungewollt. Planmäßig sollen die oben genannten Fristen nicht überschritten werden. In der Abwicklung der Bau- oder Monatageaufträge kommt es aber zu Verzögerungen. Und plötzlich begründet das Unternehmen ungewollt eine Betriebsstätte im Ausland.

Eine besondere Herausforderung bietet in grenzüberschreitenden Fällen die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Grundsätzlich führt eine Betriebsstätte, anders als eine Auslandstochtergesellschaft, nicht zu einer rechtlich selbständigen Einheit. Stammhaus und Betriebsstätte formen weiterhin ein einheitliches Unternehmen.  Das führt dazu, dass beispielsweise handelsrechtlich weiterhin nur eine Finanzbuchhaltung und ein Jahresabschluss erstellt werden müssen; und zwar im Staat, in dem das Stammhaus seinen Sitz hat. Steuerlich müssen die Aktivitäten des Stammhauses und der Betriebsstätte aber getrennt werden. Das Betriebsstättenergebnis muss also für steuerliche Zwecke gesondert ermittelt werden. Es wird dabei natürlich sofort klar, dass die beteiligten Finanzverwaltungen in solchen Fällen entgegengesetzte Interessen verfolgen. Jede Finanzverwaltung wird einen möglichst großen Teil des Gewinns besteuern wollen. Und jede Verwaltung wird versuchen, entstandene Verluste möglichst nicht anzuerkennen.

Traditionell folgte die Gewinnaufteilung nach dem Relevant Business Activity-Ansatz. Damit wurde die eingeschränkte Selbständigkeit der Betriebsstätte anerkannt. Nunmehr wird in der OECD ein anderer Ansatz verfolgt, und zwar der Functionally Separate Entity Approach, zwischenzeitlich in Fachkreisen auch bekannt unter dem Begriff Authorised OECD Approach (AOA). Damit wird versucht, Stammhaus und Betriebsstätte so zu behandeln, als wären sie unabhängige Unternehmen. Zwischenzeitlich hat Deutschland den AOA in deutsches Steuerrecht überführt, obwohl nicht alle Mitgliedsstaaten der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) dem Ansatz zugestimmt haben. In der Praxis werden sich insbesondere in folgenden bereichen Änderungen ergeben:

  • Personalfunktion der Betriebsstätte
  • Überführung von Wirtschaftsgütern
  • Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter
  • Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
  • Vermarktungsaufwendung
  • Finanzierungsaufwendungen

Im Ergebnis wird damit versucht, die Besteuerungsregeln von Stammhaus/Betriebsstätte and diejenigen von Mutter- und Tochterunternehmen anzugleichen. Im Ergebnis werden deshalb auch bei Betriebsstätten Verrechnungspreismethoden Einzug halten. Allerdings düfte der neue Ansatz bei Bau- und Montagebetriebsstätten mehr Probleme als Vereinfachungen hervorrufen.