In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes zur Erbschaftsteuer. Der Verfasser dieses Artikels hat auf einer Konferenz der IAPA International Association of Professional Advisers im Mai dieses Jahres in London den aktuellen Stand der Rechtssprechung dargestellt.
Nunmehr hat das Finanzgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 02.04.2012 (4 K 689/12) dem EuGH wieder eine Frage zur Europarechtsverträglichkeit deutschen Erbschaftsteuerrechtes vorgelegt. Dabei geht es wieder um den Freibetrag von € 2.000 für beschränkt Steuerpflichtige im Gegensatz zu den hohen Freibeträgen von € 400.000 für Kinder oder € 500.000 für Ehegaten, wenn diese in Deutschland ansässig sind. Für die Schenkungsteuer hat der EuGH im Fall Mattner diese Sache bereits als europarechtswidrig eingestuft. Nun stellt sich die Frage, ob der geringe Freibetrag für nicht in Deutschland Ansässige auch bei der Erbschaftsteuer europarechtswidrig ist.
Eigentlich ist die Sache außer für Altfälle in der EU gar nicht mehr spannend, weil der deutsche Gesetzgeber zwischenzeitlich die Vorschrift zumindets für EU-Ansässige grundlegend geändert hat. Aber das Urteil darf dennoch mit großer Spannung erwartet werden, weil andere Aspekte möglicherweise bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen werden.
Beispiel: Der Vorlagefall betrifft eine in Deutschland geborene, aber in der Schweiz lebende und mit einem Schweizer verheiratete Ehefrau. Diese verstarb in der Schweiz und hinterließ ihrem Ehemann neben einem Grundstück in Deutschland Bankguthaben in Deutschland und der Schweiz. Die deutschen Finanzbehörden besteuerten das deutsche Grundstück und setzen nur den Freibetrag von € 2.000 (statt € 500.000) an.
Der Fall hat Besonderheiten, die ihn so spannend machen:
- Ersten betrifft er einen Drittlandsfall. Die Erblasserin wie der Erbe waren beide in der Schweiz ansässig. Hier wird der EuGH also Gelegenheit haben, zu entscheiden, inwieweit er die grundsätzlich weltweit geltende Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages tatsächlich auf Drittlandsfälle anwenden will.
- Der zweite Aspekt ist der durch den EuGH in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückte Rechtfertigungsgrund Aufteilung der Besteuerungsrechte. Es stellt sich die Frage, ob dieser Rechtfertigungsgrund auch auf Drittstaatenfälle so einfach übertragbar ist. Besonders interessant ist das in diesem Fall, weil Deutschland mit der Schweiz als mit einem von wenigen Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen für Zwecke der Erbschaftsteuer abgeschlossen hat und weil in Deutschland nicht das gesamte Vermögen zu versteuern ist. Ob in einem solchen Fall tatsächlich die hohen Freibeträge anzusetzen sind, ist umstritten.
- Interessant ist auch, ob der EuGH die Anti-Diskriminierungsklausel des Freizügigkeitsabkommens zwischen der EU und der Eidgenossenschaft zur Anwendung bringen wird.
Man darf dem Urteil mit einiger Spannung entgegensehen.
Noch eine Ergänzung:
Inzwischen hat die EU-Kommission in dieser Sache gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Nach Auffassung der Kommission verletzt auch die neue deutsche Regelung EU-Recht!
Inzwischen ist die Sache auch für Schweizer Fälle entschieden:
Die deutsche Vorschrift ist auch in Drittlandsfällen (zumindest Schweiz)europarechtswidrig (EuGH v. 17.10.2013, C-181/12).