In der Regel endet die Steuerpflicht in Deutschland, wenn ein Arbeitnehmer im Inland nicht mehr tätig ist und auch keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat. Allerdings gilt dies nicht immer, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Der BFH hat am 12.01.2011 (I R 49/10) wie folgt entschieden:

  • Erhält ein in Frankreich ansässiger Arbeitnehmer für seine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit während der Freistellungsphase nach dem so genannten Blockmodell im Rahmen der Altersteilzeit Bezüge, sind diese in Deutschland steuerpflichtig. Der BFH begründet dies damit, dass es sich hierbei um keine Ruhegehälter sondern um nachträglichen Arbeitslohn handelt.
  • Freiwillige Zuschüsse des Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Versicherung in der französischen gesetzlichen Krankenversicherung (CPAM) sind nicht steuerfrei, sondern unterliegen ebenfalls der deutschen Besteuerung.

Wenn man sich die Urteilsbegründung genauer ansieht, sind zwei Aspekte für die Urteilsfindung von Bedeutung:

  • Die Steuerpflicht der Bezüge aus Altersteilzeit in Deutschland ist nach Auffassung des BFH in diesem Fall gegeben, weil nach den einschlägigen Regelung des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Frankreich für die Einordnung als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein direkter Bezug zwischen aktueller Tätigkeit und Vergütung nicht notwendig ist. Das bedeutet aber, dass sich dieser Fall nicht problemlos auf alle anderen Staaten übertragen lässt. Sofern die Regelungen in einem DBA mit einem anderen Staat einen direkten Bezug fordert, bleibt zumindest offen, ob dieselben rechtlichen Folgen zu ziehen sind.
  • Der zweite Teil des Richterspruches ist erstaunlicher. Er versagt die Steuerfreiheit bei freiwilligen Zahlungen an die gesetzliche Krankenversicherung in Frankreich, weil der Arbeitgeber diese Leistungen ohne rechtliche Verpflichtung erbracht hat. Hätte er allerdings Zuschüsse an eine freiwillige Krankenversicherung in Deutschland geleistet, wären diese steuerfrei. Leider setzt sich der BFH nur sehr am Rande mit den europarechtlichen Fragen einer solchen Entscheidung auseinander. Aber genau hier liegt das Problem: Wiederspricht eine Schlechterstellung eines nach Frankreich verzogenen Arbeitnehmers gegenüber einem weiterhin in Deutschland ansässigen Arbeitnehmers nicht dem Diskriminierungsverbot einer der Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Auf jeden Fall wäre zu prüfen, ob nicht Artikel 21 AEUV betroffen wäre. Danach hat jeder EU-Bürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Man könnte schon auf die Idee kommen, dass Deutschland mit einer sachlich kaum zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung gegen das Unionsbürgerrecht auf freie Aufenthaltswahl verstößt.