Es gibt im Steuerrecht Begriffe und Rechtskonstruktionen, die einerseits von unglaublich großer Wichtigkeit andererseits aber Mandanten unglaublich schwer zu erklären sind. Im Ertragsteuerrecht ist dies beispielsweise die Tatsache, dass zivilrechtliches Privatvermögen steuerlich ohne weiteres Betriebsvermögen darstellen kann. Im Umsatzsteuerrecht ist die Rechtskonstruktion der Einheitlichkeit der Leistung eine schwer nachvollziehbare Konstruktion. Sie kann aber von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein.

Woher kommt eigentlich das Problem. Wie immer gibt es Schwierigkeiten, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe in der Gesetzgebung verwendet oder für Vorgänge keine eindeutigen Zurechnungsregeln aufgestellt werden. In diesem Fall ist Europarecht, im Speziellen die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, der Ausgangspunkt.

Der Grundsatz ist: In Hinblick auf die Mehrwertsteuer ist jede Leistung in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten.

Aber kein Grundsatz ohne Ausnahme: Wenn ein Umsatz jedoch mehrere Elemente umfasst, stellt sich die Frage, ob diesem Umsatz eine einheitliche Leistung oder mehrere getrennt zu beurteilende Leistungen zugrunde liegt.

Beispiel: Ein Hausvermieter vermietet Büroräume. Daneben erbringt es eine Reihe von anderen Dienstleistungen wie der Wasser- und Wärmeversorgung, der Reparatur von Infrastruktur und Anlagen, der Reinigung von Gemeinschaftsräumen und die Stellung eines Sicherheitsdienstes. Dies ist der Fall, der der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH vom 27.09.2012, C-392/11 in der Rechtssache Field Fischer Waterhouse LLP) zugrunde lag. Es wurde die Frage gestellt, ob hier eine einheitliche (Vermietungsleistung) oder von der Vermietung unabhängige Leistungen vorliegen.

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Wieso sollte beispielsweise die Sicherung der Immobilie oder die Reinigung Teil der Vermietungsleistung sein? Es gibt häufig Fälle, in denen Mieter entsprechende Leistungen unabhängig vom Mietverhältnis bei unabhängigen Reinigungs- oder Sicherheitsfirmen direkt einkaufen. Bevor wir die Frage untersuchen, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder nicht, stellt sich die Frage, weshalb diese Abgrenzung so wichtig ist. Wieso haben sich britische Finanzverwaltung und Unternehmen hier über die Frage gestritten? Die Antwort liegt in der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Dienstleistungen. Die Vermietungsleistung ist steuerbefreit und die anderen Leistungen unterliegen grundsätzlich dem Normalsteuersatz. Würden also mehrere getrennt zu beurteilende Leistungen vorliegen, wäre ein Teil des Entgeltes – nämlich die reine Büromiete – ohne Umsatzsteuer und die anderen Leistungen mit Umsatzsteuer abzurechnen. Würde aber eine einheitliche Leistung anzunehmen sein, müsste man fragen, welche Leistung der Gesamtleistung wohl das Gepräge gäbe. Das wäre wohl die Vermietung. Und damit wäre die Gesamtleistung ohne Umsatzsteuer abzurechnen.

Man sieht schon an diesem recht einfach strukturierten Fall, wie schwierig die Abgrenzung sein kann. Es gibt aber gerade im industriellen Sektor sehr unfangreiche und komplexe Leistungsbündel, die für Außenstehende überhaupt nicht mehr zu beurteilen sind; übrigens auch nicht für unsere Richter aus Luxemburg.

An welchen Stellen wird die Frage der Einheitlichkeit der Leistung entscheidend?

  • Im oben genannten Fall ging es um die Frage, ob ein Teil des Gesamtentgeltes steuerfrei oder steuerpflichtig ist.
  • Natürlich kann es auch um die Frage gehen, ob Umsatz insgesamt dem Normalsteuersatz unterliegen oder nicht Teile hiervon dem ermäßigten Steuersatz.
  • Es kann auch darum gehen, ob steuerfreie Umsätze vollumfänglich oder nur teilweise den Vorsteuerabzug auf Eingangsleistungen ausschließen.
  • Bei Auslandssachverhalten ist die Frage für eine ordnungsgemäße Abwicklung von überragender Bedeutung. Ist beispielsweise ein Gesamtumsatz als Ausfuhrlieferung insgesamt steuerfrei oder sind Teilleistungen im Inland überhaupt nicht steuerbar. In beiden Fällen ist ohne Umsatzsteuer abzurechnen. Aber Nachweis-, Dokumentations- und Erklärungspflichten sind vollkommen unterschiedlich. Und Fehler in diesem Bereich sind häufig mit großen steuerlichen Risiken verbunden.

Wann also liegt nach Meinung des EuGH eine einheitliche Leistung vor? Er unterscheidet dabei zwei Fallgruppen.

Fallgruppe 1:

Eng verbundene Leistungen: Zwei formal getrennte Leistungen sind als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehrere Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Fallgruppe 2:

Haupt und Nebenleistung: Eine einheitliche Leistung liegt auch vor, wenn gewisse Leistungen als Nebenleistung zur Hauptleistung angesehen werden können. Eine Nebenleistung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie für den Kunden keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern nur Mittel ist, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Die Fallgruppe 2 ist in der Praxis einfacher zu fassen. Liefert ein Maschinenhersteller eine Maschine und montiert er diese vor Ort, stellt die Montageleistung eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung Maschinenlieferung dar. Die Gesamtleistung wird als Lieferung behandelt; beispielsweise als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhr. Im Zweifel ist allerdings auch diese Abgrenzung nicht ganz einfach.

Die Fallgruppe 1 ist in der Praxis deutlich schwieriger zu fassen. Und der EuGH führt dann auch aus:

Es gibt jedoch für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung; daher sind für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung die Gesamtumstände zu berücksichtigen.

Das ist ein wenig hilfreiche Aussage. Im o.g. Fall hätte der EuGH aber die Chance gehabt, etwas mehr Rechtssicherheit und Planbarkeit in die Sache zu bringen. Man hätte als Abgrenzungskriterium doch einfach annehmen können, dass alle Leistungen, die von mehreren Dienstleistungsunternehmen erbracht werden können und normalerweise auch erbracht werden, auch dann getrennt beurteilt werden, wenn nur ein Unternehmer sie erbringt. Danach hätte unser Vermieter mindestens drei verschiedene Leistungen erbracht: Vermietung – Reinigung – Gebäudesicherung. Aber genau das hat der EuGH nicht getan. Er führt aus, dass der Umstand, dass Leistungen normalerweise von mehreren Unternehmern erbracht werden, keine Aussage darüber zulässt, ob ein Steuerpflichtiger eine einheitliche Leistung erbringt oder nicht. Stattdessen geht der EuGH in diesem Fall wohl von einer einheitlichen Leistung aus, weil der Vermieter das Recht hatte, den Gesamtvertrag zu kündigen, wenn Teilzahlungen nicht geleistet würden.

Es ist eins zu prognostizieren. Das Thema Einheitlichkeit der Leistung wird – je nach Interessenlage – noch lange für Streitpotential zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen sorgen.

Für Unternehmen bedeutet dies Folgendes:

  • Es ist zuerst zu analysieren, welche Charakterisierung eines Leistungsbündel vorteilhafter oder weniger risikobehaftet ist.
  • Danach ist zu ermitteln, welche Indizien für oder gegen einen einheitlichen Umsatz sprechen:
    • Abschluss von einem oder mehreren Verträgen
    • Rechtliche Koppelung oder Entkoppelung von Verträgen (Abschluss, Laufzeit, Kündigung etc.)
    • Detaillierte Leistungsbeschreibung
    • Einheitliches oder getrenntes Entgelt
    • Angebotseinholung von einem oder mehreren Dienstleistungsanbietern