Mit Einführung des gemeinsamen Marktes 1993 sind in der EU zollrechtlich die Grenzen weggefallen. Es gibt zwischen den EU-Mitgliedsstaaten keine Grenzkontrollen mehr. Und zollrechtlich stellt der Transport von Waren und Gütern in ein anderes EU-Mitgliedsland weder eine Ausfuhr auf Seiten des Veräußerers noch ein Einfuhr auf Seiten des Käufers dar. Diese Neuerung hatte erheblich Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Handhabung grenzüberschreitender Warenbewegungen in der EU im B2B-Geschäft, also wenn Lieferant und Erwerber umsatzsteuerliche Unternehmer sind. In der Folge stellte sich heraus, dass das neue Umsatzsteuersystem außerordentlich betrugsanfällig ist. Hierauf haben Gesetzgeber und Finanzverwaltungen mit einer erheblich Verschärfung in Bezug auf die formalen Anforderungen reagiert. Deren Nichteinhaltung kann bei den beteiligten Unternehmen zu erheblichen steuerlichen Risiken führen.

Worum geht es: Wird ein Gegenstand über EU-Grenzen hinweg versendet oder befördert, liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor. Diese ist steuerfrei, wenn die Beteiligten Unternehmer sind und der Erwerber mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Landes auftritt, das nicht das Land ist, in dem die Versendung oder Beförderung beginnt. Der Erwerber muss im Bestimmungsland einen innergemeinschaftlichen Erwerb anmelden. Und genau hier liegt das erste Problem. Wenn der Erwerber den Gegenstand nicht angibt, besteht natürlich die Gefahr, das der Gegenstand ohne Umsatzsteuer an eine Privatperson verkauft wird. Im Ergebnis wird dann der Gegenstand ohne Umsatzsteuer veräußert. Dies ist eine einfache Form der Umsatzsteuerhinterziehung. Daneben gibt es deutlich ausgeklügeltere und mafiöse Systeme, bekannt geworden unter dem Oberbegriff Umsatzsteuerkarussel.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die größte Einkunftsquelle der EU-Mitgliedsstaaten die Umsatzsteuer ist und geschätzt 5% bis 10% des gesamten Umsatzsteueraufkommen durch Steuerbetrug verloren geht, kann man sich leicht vorstellen, weshalb die Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten so unnachgiebig auf der Einhaltung von Nachweis- und anderen formalen Vorschriften beharrt. Unternehmen, die hier nachlässig handelt, sehen sich dann leicht mit unangenehmen Steuernachzahlungen konfrontiert.

Im nächsten Beitrag werden wir einen Fall beschreiben, den der BFH zu entscheiden hatte. Dieser arbeitet sehr schön die formalen Anforderungen an deutsche Unternehmen heraus. Und er beleuchtet ein weiteres Problem der Umsatzsteuerrechtes, nämlich das Reihengeschäft.