In der Praxis internationaler Steuersachverhalte müssen in Deutschland steuerpflichtige Personen immer besondere Nachweise erbringen. Dies gilt beispielsweise für den Nachweis ausländischer Steuern, deren Anrechnung auf die deutsche Steuer begehrt wird. Gleiches gilt auch für den Nachweis, dass ausländische Einkünfte im Ausland der Besteuerung unterlegen haben oder dass das Ausland auf eine Besteuerung verzichtet. Begründet wird dies mit der erhöhten Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung von Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO.

Wie weitgehend solche Nachweispflichten sind, zeigt ein Urteil des Finanzgerichtes Düsseldorf vom 15.06.2010 (6 K 2935/07). Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde:

Ein Anleger vereinnahmte im Streitjahr 1998 Zinsen aus griechischen Staatsanleihen und Schuldscheindarlehen. In der Einkommensteuererklärung begehrte er die Anrechnung einer fiktiven griechischen Quellensteuer. Er legte eine übersetzte Bescheinigung der griechischen Behörden vor, die feststellt, dass Griechenland ab 1997 keine Quellensteuern auf Zinsen aus im Ausland ausgegebenen Darlehen erhebt.

Obwohl Griechenland keine Quellensteuern auf entsprechende Zinsen erhebt, sieht das zwischen Griechenland und Deutschland abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Anrechnung einer fiktiven Quellensteuer in Höhe von 10% in Deutschland vor. Voraussetzung ist allerdings, dass Griechenland Einkünfte aufgrund besonderer Rechtsvorschriften zur wirtschaftlichen Entwicklung befreit.

Das Finanzamt und in der Folge auch das Finanzgericht versagten die Anrechnung der fiktiven griechischen Quellensteuer mit der Begründung, dass die besondere Gesetzgebung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht nachgewiesen wurden.

Die Rechtsprechung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Denk- und Handlungsweise von Finanzbeamten und Finanzrichtern:

  • Es ist klar, weshalb Deutschland mit Griechenland eine Bestimmung zur Anrechnung einer fiktiven Quellensteuer vereinbart hat. Entsprechende Bestimmungen finden sich auch in DBA mit anderen Staaten. Hintergrund ist regelmäßig, dass Deutschland aus politisch motivierten Gründen eine gewisse Wirtschaftsförderung zugunsten des Vertragspartners gewähren will. Wenn dann der ausländische Staat bei Nicht-Gebietsansässigen keine Steuer mehr erhebt, kann die einzige vernünftige Begründung hierfür sein, dass es Investoren aus dem Ausland anlocken will. Weshalb sonst sollte dieser Staat auf Steuereinnahmen verzichten, deren Erhebung durch Steuerabzug an der Quelle außerordentlich einfach wäre? Ein gesetzlich angeordneter Besteuerungsverzicht kann vernünftigerweise nur der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Staates dienen.
  • An dieser Stelle sei der Vollständigkeit halber nur vermerkt, dass Deutschland eine ganz ähnliche Regelung kennt. Auch hier werden Zinsen aus deutschen Quellen, die nicht in Deutschland Ansässige beziehen, im Normalfall nicht der Besteuerung unterworfen. Welchen anderen Grund könnte ein solcher Verzicht wohl haben, als ausländischen Kapitalanlegern Investitionen in Deutschland zu erleichtern? Und es kann auch hier kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, weshalb der deutsche Finanzminister trotz klammer öffentlicher Kassen auf eine einfach zu erhebende Steuer verzichtet. Ausländische Investoren sollen nicht abgeschreckt werden, weil dies der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands abträglich sein könnte.
  • Ein ganz anderer Aspekt liegt in der ungleichen Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen Steuerverwaltung und Bürger. Grundsätzlich hat die Finanzverwaltung eine Amtsermittlungspflicht. Der Steuerpflichtige hat insbesondere in Fällen, die durch Finanzverwaltung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand aufgeklärt werden können, eine Mitwirkungspflicht. Im vorliegenden Fall wäre es für die deutsche Finanzverwaltung relativ leicht gewesen, durch eine einfache Anfrage bei der zuständigen griechischen Steuerbehörde herauszufinden, ob die Steuerfreistellung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands eingeführt wurde. Hätten sich dann Zweifel an der Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall gegeben, wäre eine Mitwirkungsverpflichtung des Steuerpflichtigen gerechtfertigt gewesen. Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht den Amtsermittlungsgrundsatz der Finanzbehörden aber praktisch auf Null reduziert. Damit hat es die alleinige Nachweisverpflichtung auf die Schultern des Steuerpflichtigen gelegt. Dies ist bemerkenswert, weil es hier nicht um die Informationsbeschaffung aus einer exotischen Steueroase geht, sondern um diejenige aus einem Partnerstaat der EU, mit dem einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen wurde. Vergleicht man dies mit dem zwischenzeitlich intensiven Informationaustausch von Finanzbehörden in der EU zu Lasten ihrer Bürger, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Steueranrechnung aus rein fiskalischen Gründen versagt werden sollte.
  • Zusammenfassend kann man sagen, dass durch überzogene Nachweiserfordernisse und einer faktisch nicht vorhandenen Amtsermittlungspflicht der Finanzverwaltung vereinbarte Förderunmaßnahmen zugunsten befreundeter Staaten leicht ausgehebelt werden können.