In einem vorhergehenden Beitrag haben wir auf die Steuerhinterziehung auf Zeit hingewiesen. Ähnliche Probleme treten auch auf, wenn Steuererklärungen oder Steuervoranmeldungen verspätet oder gar nicht abgegeben werden. Auch in diesen Fällen kann eine Steuerhinterziehung vorliegen.
An dieser Stelle seien auf einige Besonderheiten hingewiesen werden, die im Zusammenhang insbesondere mit der verspäteten Abgabe von Steueranmeldungen einhergehen. Betroffen sind hier insbesondere Lohnsteueranmeldung, Umsatzsteuervoranmeldung und Kapitalertragsteueranmeldung.
- Grundsätzlich kann ein Unternehmen keine Straftat begehen. Dies können nur die handelnden Personen wie Vorstände, Geschäftsführer, Prokuristen, Abteilungsleiter oder andere beteiligte Angestellte. Die beteiligten Personen sollten sich des strafrechtlichen Risikos bewußt sein. Möglicherweise muss dass Unternehmen die finanziellen Wirkungen wie Geldstrafen oder Geldbußen tragen. Eine eventuelle Vorstrafe hat aber die beteiligte Person.
- Es gibt in der Rechtsprechung ein sogenanntes Kompensationsverbot (Vorteilsabzugsverbot). Beispiel: Im Februar 2012 besteht einen Vorsteuerüberhang von € 50.000. Im März 2012 müssten € 60.000 gezahlt werden. Der Rechnungslegungsleiter hält beide Voranmeldung aufgrund aktuellem Liquiditätsengpass zurück. Für die strafrechtliche Beurteilung sind € 60.000 maßgeblich und nicht die Differenz von € 10.000.
- Mit Gesetzesänderung vom 03.05.2011 wurde das Recht zur strafbefreienden Selbstanzeige geändert und verschärft. Künftig tritt eine strafbefreiende Selbstanzeige bei verkürzten Beträgen ab € 50.000 nur dann ein, wenn neben der hinterzogenen Steuer und Nachzahlungszinsen ein Strafzuschlag von 5% der hinterzogenen Steuer freiwillig gezahlt werden. Für die Beteiligten wird die Sache jetzt heikel. Werden beispielsweise Steuervoranmeldung nicht rechtzeitig abgegeben, stellt sich die Frage, ob eine Straftat oder ggf. nur eine Ordnungswidrigkeit angenommen werden kann. Die Frage, ob die Finanzverwaltung ggf. einem bedingten Vorsatz unterstellt, ist in der Praxis häufig nicht im Voraus abschätzbar. Damit stellt sich natürlich auch die Frage, ob aus Sicherheitsgründen der Strafzuschlag bei späterer Zahlung der Umsatzsteuerschuld gleich mit überwiesen werden soll. Im Zweifel bietet sich eine solche Sicherheitsüberweisung an.
- Der Zuschlag ist übrigens nicht vom Unternehmen sondern von der Person zu zahlen, die die Tat begangen hat. In der Regel wird das Unternehmen den Zuschlag überweisen. Fordert sie diesen nicht vom Arbeitnehmer zurück, stellt sich die Frage, ob dieser Verzicht einen lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Sachbezug darstellt. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH würde der Verzicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen.
Ein sehr interessanter Beitrag, der sicherlich das Handeln von vielen in Zukunft beeinflussen kann.
Das der Beitrag praktische Relevanz hat, zeigt eine Pressemitteilung des Steuerberater-Verbandes:
„Nach einer neuen Verwaltungsrichtlinie für Finanzämter (Nr. 132 Abs. 1 AStBV – Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren 2012) sollen künftig verspätete Steueranmeldungen (etwa bei der Umsatzsteuer oder Lohnsteuer) sogleich an die Strafsachenstelle geleitet werden. Hierauf hat der DStV kürzlich hingewiesen.
Hierzu wird weiter ausgeführt: Damit droht für viele Steuerpflichtige eine erhebliche Eskalation des Steuerverfahrens. „Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung weiterhin in kleinen Fällen mit Augenmaß vorgeht“, appelliert Rechtsanwalt und Steuerberater Markus Deutsch, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV). Zwar stellte auch bisher eine verzögerte Abgabe einer Steuererklärung nach allgemeiner Meinung eine „Steuerhinterziehung auf Zeit“ dar. Dies gilt unverändert aber nur, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich die Zahlung durch Abgabe der Steuererklärung nach Ablauf der Frist verzögert. In vielen Fällen beruht aber die Verspätung auf anderen Gründen, wie Krankheit, fehlenden Unterlagen oder schlichtweg Vergessen. In diesem Sinne verzichtete eine frühere Version der genannten Anweisung (AStBV 2009) ausdrücklich auf die automatische Einschaltung der Straf- und Bußgeldstelle, sofern Steueranmeldungen im Finanzamt nicht rechtzeitig eingingen.
Quelle: DStV, Pressemitteilung v. 9.1.2012“
Die misslungene Selbstanzeige ist der Albtraum jedes Steuerberaters. Aber man sollte dabei einen Aspekt nicht aus den Augen verlieren (so auch Meyer-Mews, DStR 2013, 161):
Grundsätzlich ist jeder im Strafprozess dadurch geschützt, dass seine Angaben nicht gegen seinen Willen verwertet werden dürfen. So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Strafverfolgungsbehörden dem Beschuldigten die ihm zu Last gelegte Straftat beweisen müssen, ohne auf Beweise zurückzugreifen, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Beteiligten erlangt sind. Der EGMR nimmt sogar ein Beweiserhebungsverbot an.
Im Steuerrecht herrscht allgemein das gesetzliche Gebot, dass ein Steuerpflichtiger alle besteuerungsrelevanten Dinge zu erklären hat. Ein Aussageverweigerungsrecht ist im Steuerrecht allenfalls sehr rudimentär ausgebildet. Das heißt, dass der o.g. Zwang oder Druck schon aufgrund gesetzlicher Anordnung besteht. Und damit ist das Schweigerecht, das Teil der Menschenwürde ist, de facto nicht schrankenlos gewährt. Somit dürfte die Verwertung von Aussagen von Steuerpflichtigen im Steuerstrafprozess gegen seinen Willen sowohl gegen das Grundgesetz wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.