Eine neue Qualität erreicht die Reisekostengesetzgebung mit der Definition zur ersten Tätigkeitsstätte in § 9 Abs. 4 EStG, der den Begriff regelmäßige Arbeitsstätte seit 1. Januar 2014 im Einkommensteuergesetz ersetzt.

Mit der Aufnahme der Definition in das Einkommensteuergesetz wird die Identifikation der ersten Tätigkeitsstätte durch den Gesetzgeber sehr erleichtert. Hierzu erfolgen im folgenden Beitrag eine Gegenüberstellung der Definitionen von erster Tätigkeitsstätte und regelmäßiger Arbeitsstätte und eine Darstellung illustrierender Beispielfälle.

Definition des Begriffs erste Tätigkeitsstätte in § 9 Abs. 4 EStG

„Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.“

 

Definition des bisherigen Begriffs regelmäßige Arbeitsstätte

Im Sinne des BMF-Schreibens vom 15. Dezember 2011 zur Anwendung von Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 9. Juni 2011 sowie der Anwendung der R 9.4 Absatz 3 LStR war in der Regel von einer regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der dienstrechtlichen/arbeitsvertraglichen Festlegungen

–          einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet war oder

–          in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers

  • arbeitstäglich,
  • je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder
  • mindestens 20% seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Prognoseentscheidung).

Entscheidend war bisher, ob ein Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder sonstige ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtungen, denen er zugeordnet ist, nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht.

 

Fehlende Zuordnung

Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers nach neuem Rechtsstand zu einer betrieblichen Einrichtung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung nach den vorstehenden Kriterien (z.B. weil der Arbeitgeber ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat oder ausdrücklich erklärt, dass organisatorische Zuordnungen keine steuerliche Wirkung entfalten sollen) oder ist die getroffene Festlegung nicht eindeutig, ist nach § 9 Absatz 4 EStG (Quantitative Zuordnungskriterien im Sinne des BMF-Schreibens zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014 vom 30. September 2013 (Rz. 25)) von einer ersten Tätigkeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der Arbeitnehmer

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit dauerhaft tätig werden soll.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte jetzt grundsätzlich anhand der arbeits- oder dienstvertraglichen Zuordnung durch den Arbeitgeber erfolgt. Liegt keine Zuordnung vor, dann kommen weiterhin quantitative Kriterien zur Anwendung. Je Dienstverhältnis hat der Arbeitnehmer höchstens eine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 Satz 5 EStG). Erste Tätigkeitsstätte ist auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke des Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte können wie bisher Werbungskosten in Höhe der Entfernungspauschale geltend gemacht werden.

 

Beispielfälle

  1. Erste Tätigkeitsstätte

 

Beispiel 1: Der Vertriebsmitarbeiter V für die Region A soll einmal wöchentlich an den Firmensitz nach B fahren, dem er zugeordnet ist. Dort soll er die anfallenden Bürotätigkeiten erledigen und an Dienstbesprechungen teilnehmen. B ist erste Tätigkeitsstätte auf Grund der arbeitsrechtlichen Zuordnung. Dabei ist unerheblich, dass V überwiegend in der Region A und nicht in B tätig ist.

 

Abwandlung: Ordnet der Arbeitgeber den V dem Firmensitz in B nicht oder nicht eindeutig zu, hat V keine erste Tätigkeitsstätte, da die quantitativen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

 

Beispiel 2: Der Arbeitnehmer A soll seine berufliche Tätigkeit an drei Tagen wöchentlich in einem häuslichen Arbeitszimmer ausüben und an zwei vollen Tagen wöchentlich in der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers in D tätig werden.

Das häusliche Arbeitszimmer ist nie erste Tätigkeitsstätte. Erste Tätigkeitsstätte ist hier vielmehr die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers in D, da der Arbeitnehmer dort an zwei vollen Tagen beruflich tätig werden soll.

 

Beispiel 3: Der in H wohnende Filialleiter A ist an drei Tagen in der Woche in einer Filiale seines Arbeitgebers in H und an zwei Tagen in der Woche in einer Filiale seines Arbeitgebers in S tätig. Der Arbeitgeber bestimmt die Filiale in S zur ersten Tätigkeitsstätte.

Durch die Bestimmung seines Arbeitgebers hat der Filialleiter A in der betrieblichen Einrichtung in S seine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich ist, dass er dort lediglich zwei Tage und damit nicht zeitlich überwiegend beruflich tätig ist.

 

 

2. Keine erste Tätigkeitsstätte

 

Beispiel 4: Der Arbeitnehmer A übt seine Tätigkeit nur bei wechselnden Kunden und im häuslichen Arbeitszimmer aus. Er hat keine erste Tätigkeitsstätte.

 

Fazit

Dem Gesetzgeber ist es mit der Definition der ersten Tätigkeitsstätte gelungen, die angekündigte Vereinfachung zu realisieren.

 

Quellennachweis: Die Beispielfälle sind an das BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014 vom 30. September 2013 angelehnt.