Der Verfasser dieses Artikels hat sich schon mehrmals zur Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichtes – des Bundesverfassungsgerichtes – geäußert, wenn sich dieses mit Steuerfragen beschäftigte. Einige Stellungnahmen hierzu sind im Corporate Blog der sybo AG veröffentlicht.
Nunmehr musste sich das BVerfG mit der Fragen beschäftigen, ob das Erbschaftsteuergesetz in der aktuellen Fassung verfassungskonform ist. Dabei ging es speziell um die Frage, ob Bürger durch unterschiedliche Steuersätze, Freibeträge und Steuerbefreiungen in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt seien.
Die Frage ist nicht unberechtigt.
Beispiel: Ein Ehegatte erhält einen persönlichen Freibetrag von € 500.000, während beispielsweise dem unvereheirateten Lebenspartner ein solcher von € 20.000 zusteht. Der Steuersatz für den Ehepartner in der niedrigsten Progressionsstufe beträgt 7%, für den unverheirateten Lebenspartner 30%.
Die Benachteiligungen von Personen der Steuerklasse III sind also signifikant. Und deshalb stellt sich die Frage, ob diese Ungleichbehandlung verfassungskonform ist.
Das BVerfG setzte sich in drei Verfassungsbeschwerden mit der entscheidenden Frage, ob eine derart garvierende Ungleichbehandlung von Angehörigen verschiedener Steuerklassen verfassungskonform ist, aber überhaupt nicht auseinander.
Es hat die Verfassungsbeschwerden als unzulässig zurückgewiesen. Die Begründung hierfür ist denkbar einfach. Die Beschwerdeführer, also die potentiellen Erblasser, seien von den Bestimmungen des Erbschaftsteuersteuergesetzes nicht betroffen, weil ihre Testierfreiheit nicht betroffen sei. Sie könnten ja weiterhin als Erben einsetzen, wen sie wollen und frei über Zuwendungen entscheiden.
Ich meine nicht, dass das Erbschaftsteuergesetz unbedingt verfassungswidrig ist. Was aber schwer zu verstehen ist, ist die Tatsache, dass die Richter aus Karlsruhe die eigentliche Zweifelsfrage gar nicht klären: Ist eine so gravierende Ungleichbehandlung von Personen verschiedener Steuerklassen verfassungsrechtlich vertretbar? Sie wischen die Verfassungsbeschwerden einfach mit einem formalen Trick vom Tisch: Erblasser sind nicht betroffen. Die tägliche Praxis sieht anders aus. Menschen, die ihr Testament machen, lassen sich bei deren Abfassung schon von den steuerlichen Auswirkungen ihres Handelns leiten.
Also wird jetzt wohl ein Erbe der Steuerklasse III die Sache vor das BVerfG tragen müssen. Die Erfolgsaussichten sind aber bei der zu beobachtenden Tendenz des Gerichtshofes, Steuerpolitikern und -beamten im Berlin fast unbeschränkten gesetzgeberischen Freiraum einzuräumen, eher gering.
Übrigens stellen auch andere Kommentatoren Ähnliches fest:
So führen Wulf/Ruske in einem Artikel in „Die Steuerberatung“ 10/2010, S. 443 zu einer Entscheidung zu § 393 Abs. 2 AO folgendes aus:
„…. Diese Gelegenheit wurde vertan. Das BVerfG hat die Vorlage aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen. Damit bleibt die praktisch höchst bedeutsame Frage höchstrichterlich ungeklärt….“
Ich persönlich glaube, dass die Richter beim BVerfG mit steuerlichen Vorlagen eigentlich nur verschont werden wollen. Da macht es sich immer gut, formale Ablehnungsgründe zu finden. Dann muss man in der Sache selbst nicht mehr entscheiden.
Der Facebook Gefaellt mir Button wuerde sich gut im Blog machen, oder habe ich ihn uebersehen?
Die Liste der Kommentare zu diesem Thema scheint unerschöpflich. In „Der Betrieb“ behandelt Gastkommentator Lempenau das Thema wie folgt:
Das höchste deutsche Finanzgericht, der BFH, legte dem BVerfG zu einer im Jahr 2004 abgeschafften Regelung des Einkommensteuergesetzes die Frage zu deren Verfassungsmäßigkeit vor. Der Inhalt der Regelung ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist, dass das BVerfG den BFH abwatscht und die Vorlage wegen fehlender ausreichender Begründung als unzulässig zurückweist.
Und nun lasse man den Kommentar von Kollege Lempenau auf sich wirken:
„Die Richter in Karlsruhe waren offenbar nicht geneigt, das Gesetz rückwirkend zu Fall zu bringen. Sie wählen einen Ausweg, bei dem freilich die Richter am BFH desauviert werden, gewissermaßen abgestempelt als juristische „Versager“, die nicht einmal in der Lage sind, einen zulässigen Vorlagebeschluss zu fassen. In Wahrheit haben sich die Richter des 2. Senats (Anmerkung: des BVerfG) selbst bloßgestellt mit dem Eingeständnis, dass sie volle vier Jahre benötigen, um die Unzulässigkeit der Klage zu erkennen. Es darf vermutet werden, dass die Richter diese Scharte in Kauf nehmen, um ….. die Perfidie des Gesetzgebers nicht aufdecken zu müssen.“
Klarer kann eine Aussage gar nicht ausfallen.
…und noch einer zu unseren P… aus Karlsruhe. Balke in BB 39/2012, 2409 zur Rechtsprechung unserer Verfassungshüter:
„Andererseits (und gleichzeitig)hat es den Gesetzgeber durch seine so genannte pro futuro-Rechtsprechung viel zu sehr geschont und damit dem Steuerpflichtigen den effektiven Rechtsschutz versagt. Das liegt nach Auffassung des Autors auch am immer noch herrschenden richterlichen Beurteilungs- und Karrierewesen. Die maßgeblichen Entscheidungsträger gehören der Verwaltung und dem Gesetzgeber an, also Staatsgewalten, die die Richter im Sinne der Steuerpflichtigen zu kontrollieren hat. Diesem Missstand sollte angeholfen werden.“
… dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
… und noch zwei entlarvende Stellen aus dem selben Beitrag:
„Gerade in Zeiten, in denen der Steuergesetzgeber seine Erstverantwortung für die Beachtung der Grundrechte im Steuerrecht kaum wahrnimmt, ist die Durchsetzung grundrechtsgebundener steuerrechtswissenschaftlicher Erkenntnis durch die Rechtssprechung unverzichtbar. Nur auf diese Weise kann der Steuer-Rechtsstaat bewahrt und die Steuer-Tyrannei einer zwar demokratisch legitimierten, aber offensichtlich teilweise rechtsprinzipienlosen Parlamentsmehrheit begegnet werden.“
„Dagegen ist auf die Damen und Herren Steuergesetzgeber, die mehr und mehr mit der Spitze der Verwaltung verschmelzen und die sich zudem auf Kosten der Steuervollzahler durch reichlich steuerfreie Bezüge begünstigen, leider kein Verlass.“