Viele Unternehmen glauben, dass Sie im innereuropäischen Handel alle steuerlichen Pflichten korrekt erfüllen, wenn sie im Geschäftsverkehr ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) angeben und entsprechende Erwerbe aus dem Ausland in ihre inländischen Umsatzsteuervoranmeldungen aufnehmen. Das ist aber nicht immer der Fall.

Dabei geht es darum, dass die Warenbewegung im grenzüberschreitenden Verkehr nicht immer in dem Staat endet, dessen USt-IdNr. der Unternehmer verwendet. Fallen Ende der Warenbewegung und der Staat der USt-IdNr. auseineinander, kann im letztgenannten Staat in vielen Fällen die Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb nicht geltend gemacht werden. Die beiden nachfolgenden Beispiele machen klar, worum es geht:

Beispiel 1:

Der deutsche Architekt D hat in Berlin sein Büro. Daneben besitzt er in Warschau noch ein kleines Büro, über das er Bauaufträge in Polen abwickelt. D ist umsatzsteuerlich in Deutschland registriert und hat eine deutsche USt-IdNr. In Polen ist er weder registriert noch besitzt er eine polnische USt-IdNr.

D bestellt in Mailand Designmöbel für seine beiden Büros im Wert von € 100.000. Die eine Hälfte der Möbel wird nach Deutschland, die andere Hälfte direkt nach Polen versandt. D gibt gegenüber dem italienischen Lieferanten seine deutsche USt-IdNr. an. Darauf erhält er eine Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer. In seiner deutschen Umsatzsteuervoranmeldung erklärt D eine Umsatzsteuer in Höhe von € 19.000 (19% von € 100.000) und gleichzeitig in gleicher Höhe eine Vorsteuer. Damit ist die Sache für ihn ein Nullsummenspiel.

Bei einer Betriebsprüfung Jahre später entdeckt der Prüfer, dass Designmöbel im Gegenwert von € 50.000 nicht nach Deutschland, sondern nach Polen transportiert wurden. Daraufhin kürzt er den Vorsteuerabzug um € 9.500 (19% von € 50.000). Die Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 19.000 wird aber nicht gekürzt, weil die Teillieferung der Möbel nach Warschau nicht nach Deutschland transportiert wurde, dennoch aber für die Gesamtlieferung die deutsche USt-IdNr. verwendet wurde. Dies gilt solange, solange E nicht nachweist, dass der Erwerb in Höhe von € 50.000 in Polen der Erwerbsbesteuerung unterworfen wurde.

Im Ergebnis muss D € 9.500 nachzahlen, es sei denn er gibt nachträglich Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Polen zumindest für den Monat ab, in dem die Designmöbel in Polen angekommen sind. Ob er das noch kann, wird wesentlich davon abhängen, ob die Abgabetermine nach polnischem Umsatzsteuerrecht abgelaufen sind oder nicht. Wenn er keine Voranmeldungen in Polen mehr abgeben kann, bleibt er auf dem Differenzbetrag von € 9.500 sitzen.

Beispiel 2:

Ein Lebensmittelgroßhändler E kauft gefrorenes Rindfleisch aus Argentinien in großen Mengen ein. E hat dieses Fleisch von einem niederländischen Großhändler NL aus Rotterdam erworben, der zuvor die Ware im Rotterdamer Hafen angelandet und dort verzollt und versteuert hatte. Gegenüber NL gibt E seine deutsche USt-IdNr. an. Gleichzeitig versichert E gegenüber NL, dass die Ware die Niederlande verlassen wird. Daraufhin rechnet NL ohne Umsatzsteuer ab.

E beauftragt einen Spediteur, die Ware in Rotterdam abzuholen und dann zu Kunden in Österreich, der Tschechischen Republik und der Slowakei zu transportieren. Die Ware wird nicht in Deutschland zwischengelagert.

E gibt die Umsatzsteuer aus dem Erwerb in Höhe von € 70.000 (7% aus 1 Mio. €) in seiner Umsatzsteuervoranmeldung an und macht in gleicher Höhe einen Vorsteueranspruch geltend. In Österreich, der Tschechischen Republik und der Slowakei wird durch E nichts angemeldet.

Nach Jahren kommt der Betriebsprüfer und versagt den Vorsteueranspruch. Die Umsatzsteuer in Höhe von € 70.000 bleibt aber bestehen, weil E seine deutsche USt-IdNr. verwendet hatte und eine Erwerbsbesteuerung in Österreich, der Tschechischen Republik und der Slowakei nicht nachgewiesen werden kann. E sieht sich also mit einer Steuernachforderung von € 70.000 konfrontiert. Diese kann er nur aus der Welt schaffen, indem er nachträglich in den drei anderen Ländern Umsatzsteuervoranmeldungen abgibt. Ob das nach Jahren noch möglich ist, ist zumindest fraglich.

Es erschließt sich nicht wirklich, weshalb in vorstehenden Fällen so vorzugehen ist. Immerhin haben D und E doch einmal einen innergemeinschaftlichen Erwerb angegeben und einen entsprechenden Vorsteuerabzug geltend gemacht. Materiell wäre auch nichts anderes geschehen, wenn sie im jeweiligen ausländischen Staat die Erwerbsbesteuerung durchgeführt hätten. In jedem Fall wäre es bei richtiger Behandlung für sie immer ein Nullsummen-Spiel geblieben. Früher hat die deutsche Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug trotz Deklarierung im falschen Staat zugelassen. Nach einigen anderslautenden Urteilen des BFH ist dies aber nicht mehr möglich.

Unternehmer, die im europäischen grenzüberschreitenden Handel tätig sind und insbesondere große Handelsvolumina bewegen, sollten wirklich darauf achten, alle formalen Regeln des Umsatzsteuerrechtes zu beachten. Notfalls muss sich ein deutsches Unternehmen eben im EU-Ausland umsatzsteuerlich registrieren lassen. Oder man muss andere Gestaltungen beispielsweise über Lagergeschäfte oder gebrochene Warentransporte anstreben, soweit dies wirtschaftlich und tatsächlich möglich oder verträglich ist.